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Die Heuchelei

 

 

Die Heuchelei ist eines der größten Übel dieser Zeit. Einige Stunden, bevor die himmlische Mutter die oben genannten Worte sprach, hatte ich durchdacht, wo ich selbst in Gefahr bin, wo es Bereiche gibt, die nicht ganz wahr sein könnten, denn ich war versucht, zu viel Rücksicht auf das zu nehmen, was jemand nicht hören wollte aber hören sollte. Es war eine Autoritätsperson und ich fühlte mich gezwungen, die Herrlichkeit und Liebe Gottes etwas zu verbergen. Wir sollten sie zwar nicht vor die Hunde werfen, aber auch nicht versteckt halten. Wie leicht tut man anders als man ist! Wie leicht sucht man das Gefallen der Leute! Wie leicht passt man sich der Oberflächlichkeit an und beschränkt sich auf Äußerlichkeiten!

 

Der Herr wies uns deutlich darauf hin, dass unser Herz das wesentliche ist und dass wir keine äußerlichen Gesten verrichten sollen, die scheinheilig und heuchlerisch sind. Dabei kann auch etwas Echtes unecht sein. Jesus erklärt uns im Matthäus-Evangelium: „Hütet euch, eure Gerechtigkeit vor den Menschen zur Schau zu stellen... Wenn du Almosen gibst, lass es also nicht vor dir herposaunen, wie es die Heuchler in den Synagogen und auf den Gassen tun, um von den Leuten gelobt zu werden.“ Und er fügt hinzu: „Amen, das sage ich euch: Sie haben ihren Lohn bereits erhalten“ (Mt 6,1-2). In Matthäus 6,5 hören wir: „Wenn ihr betet, macht es nicht wie die Heuchler. Sie stellen sich beim Gebet gern in die Synagogen..., damit sie von den Leuten gesehen werden.“

 

Die Heuchelei zeigt sich gerade im hochmütigen Gerede, im leichtfertigen Urteil über den anderen und vertuschen der eigenen Fehler oder Schwächen. Ich meine, das Schlimmste sind dabei gar nicht unsere Fehler, sondern das Urteil (oft der gleichen Dinge oder sogar minderer) über unseren Bruder. Bei manchen Leuten ist dies zu einer dauernden Beschäftigung geworden. Eigene Sklaverei ist das!

Jesus sagt deutlich: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden, und nach dem Maß, mit dem ihr messt, und zuteilt, wird euch zugeteilt werden. Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge heraus ziehen! - und dabei steckt in deinem Auge ein Balken? Du Heuchler!“ (Mt 7,1-5). Jesus fordert uns auf, zuerst uns zu verändern, dann können wir den Versuch unternehmen, dem anderen zu helfen.

 

Heuchelei geschieht nicht nur aus Überheblichkeit und um von den eigenen Fehlern abzulenken, sondern aus Menschenfurcht. Diese hatte ich oben schon anklingen lassen, es stellte meine Versuchung dar. Noch ein Beispiel: Da war jemand, der einiges für mich tat. Nach ein paar Tagen, als ich der „Freund“ war, kam die nette Gegenforderung. Eine Gegenleistung darf es auch mal geben, nur wie leicht wird sie eine Erwartung und Voraussetzung, um überhaupt „Gutes“ zu tun. Die erwartete Gegenleistung (Wiedergutmachung), die an mich gerichtet wurde, konnte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Da versucht leicht die Menschenfurcht ihr Glück. Mal wieder war ich der Spielverderber. Mir ist es, Gott sei Dank, nie „gelungen“, seitdem ich mich an der Botschaft des Himmels orientiere, dort einzusteigen, in dieses Austauschen von Hilfeleistungen. Nach dem Motto: Wie du mir, so ich dir!  Das hat mit echter Nächstenliebe nicht viel zu tun. So oft musste ich auch Hilfe von meiner Seite absagen, weil ich krank war.

 

Ohne Heuchelei, in Form von irgendwelchen „netten“ Erklärungen, sollte man einfach die Wahrheit sagen und wenn man auch nur mal keine Freude hat, an dem was der andere von einem will. Schmeichelei verbirgt die Lüge und erfährt das Gleiche im Gegenzug, die Wahrheit dagegen findet Respekt. Auf die Bitte um Hilfe sagt z.B. ein feiner Herr: „Ich würde dir ja so gerne helfen, aber...“ und ein Jugendlicher sagt ganz salopp: „Ich habe keinen Bock!“ Der feine Herr hat dabei genauso wenig Freude gehabt zu helfen, wie der Jugendliche und sein gutes Ansehen rettend sich herausgewunden. Der Jugendliche aber, der wahrscheinlich für seine Ausdrucksweise schief angesehen wird, hat jedoch einfach die Wahrheit gesagt.

 

Ist es nun ein Widerspruch, wenn der Herr an anderer Stelle im Evangelium sagt: „So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Werke sehen...“ Hier geht es um die ungeheuchelten! Der Herr nennt auch deutlich den Grund dafür: „und euren Vater im Himmel preisen“ (Mt 5,16). Das schließt natürlich nicht aus, dass mancher, obwohl er wirklich etwas ungeheucheltes sieht, wodurch immer etwas von und für Gott durchscheint, ihn nicht lobt.

 

Maria hilft uns auf ehrliche Weise, wie wir Menschenfurcht, Falschheit und Lüge überwinden:

„Faltet mit mir die Hände zur Anbetung Gottes, der größer ist als die Menschen.“ Wenn wir wie Maria und mit ihr in der inneren Anbetung verweilen, das ist der beständige Blick auf Gott, während der Begegnungen mit den Mitmenschen, dann wissen wir mit ihnen umzugehen. Der andere, und wenn er Bäume ausreißen kann, er ist nur Geschöpf und wir sind es auch. In dieser Haltung suchen wir nicht mehr den Menschen unbedingt zu gefallen oder ihnen alles recht zu machen. Das Angenehmere ist für uns nicht mehr das Angenehmere. Das Bessere ist tatsächlich das Bessere. Wir kommen gegen die geistige Macht an, die andere auf uns ausüben und bleiben frei. Wir fürchten nur den Einen. Und während wir ihn fürchten, werden wir in seiner Liebe Freiheit in Fülle haben. Maria legt gar keinen Wert darauf, uns zu gefallen, sie will uns helfen, dass wir Gott gefallen. Daraus, weil sie wahr ist, gefällt sie uns.

 

Die Würde, nach der sich alle sehnen, schenkt uns das Verhalten nach Gottes Weisungen, in gelebter Beziehung zu ihm.

 

Gott erforscht das Herz und vor ihm wird jeder Einzelne erscheinen, so ruft Maria uns ins Bewusstsein: „Er, der jeden Menschen ruft. Er kennt seine Geschöpfe genau.“ Der Begriff „Geschöpfe“ zeigt uns, dass er das Kleinste und „Unbedeutsamste“ weiß und kennt. Gott deckt alles auf, er bringt alles ans Licht und schenkt uns die Gelegenheit zur Änderung.

„Denn lebendig ist das Wort Gottes, kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Gelenk und Mark; es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens; vor ihm bleibt kein Geschöpf verborgen, sondern alles liegt nackt und bloß vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft schulden“ (Hebr 4,12-13). Und das erleben wir heute!

 

Im folgenden Satz verbirgt sich seine bestehende Liebe und Treue, seine Aufmerksamkeit um jeden von uns und sein Warten: „Ein Zeichen seiner Huld und Treue.“ Er ist seines Bundes mit uns treu.

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